In meinen Augen erinnert Arkas an einen hartnäckigen Ketzer, der sich gegen eine dominante Religion stellt. Er gleicht einem jener riesigen Bagger, die tief in den Boden graben und die alten Gebäude zu Ruinen machen, um neue Gebäude zu errichten. Eine gewaltige Kraft, gut hinter der tückischen Uniform des Lachens verborgen. Beim Lesen einer Seite von Arkas liest man einen ganz normalen Dialog. Bis man zum letzten Bild kommt. Dort explodiert, ausgelöst durch einen unerwarteten Spruch, eine schallend lachende Atombombe. Doch dem Pilz der Explosion folgen weitere kleinere, beharrliche Pilze. Kleine,
langsam brennende Gedankenbomben, die auch noch lange Zeit danach im Kopf eines sorgfältigen Lesers explodieren. Das ist die Macht des Künstlers: das Hinterlassen tiefer Narben beim Empfänger. In gewisser Weise denke ich, dass Arkas wie Konstantinos Kavafis in seinen Gedichten wirkt. Die letzten Verse … sie stellen alle vorherigen auf den Kopf, indem alle Erwartungen des Lesers gekippt werden. Der große Unterschied zwischen den beiden ist natürlich, dass die ironische Melancholie des großen alexandrinischen Dichters in den Skizzen von Arkas durch das ironische Lachen und durch die tragische Komödie des Lebens seiner Helden ersetzt wird.
Als mein Freund Thodoris mir sagte, dass die Theatergruppe zur Sonne … Arkas aufführen würde und mich fragte, ob ich den Text des Programms schreiben würde, war meine erste Reaktion ein verlegenes Lächeln. Was für einen Text sollte man über Arkas schreiben, der jahrzehntelang keinen Text geschrieben hat! In meinen Gedanken flatterten, wie Frühlingsschmetterlinge, anstelle von Wörtern und Sätzen weiße Wölkchen voll mit Sprüchen umher – ganz wie diese:
LEBENSLANG
– Hast du es mitbekommen? Sie machen uns zum Theaterstück.
– Ist mir doch egal!
– Du verstehst das nicht! Kunst ist für den Menschen, was Käse für Mäuse ist. Sie ist geistige Nahrung, Balsam und Trost für die Seele, sie vollendet den Zweck unserer Gattung auf Erden.
– Wo führen sie es auf?
– In Wien.
– Wo bist du?
– Im Gefängnis, lebenslänglich.
– Gut! Also, was ist mit diesem Käse jetzt?
HAAR FÜR HAAR
– Frau Marika, ich mache ihnen eine Frisur, bei der allen im Theater schwindlig wird.
– Ich will sie nicht berauschen. Ich will sie beeindrucken.
– Ich hörte, dass Virginia auch da sein wird. Sie hat sogar einen Platz in der ersten Reihe.
– Bestimmt will sie sich einen Schauspieler abschleppen. Ich frage mich, wie sie ihren Namen noch nicht geändert hat.
– Auf was denn?
-Aufjedenmannmania.
TIEFFLÜGE
– Wo hast du dich wieder rumgetrieben?
– Oh, es war schwierig, aber ich habe es geschafft.
– Bist du wieder dabei, herauszufinden, wie sich die Flügel öffnen? Ich habe es dir schon tausendmal erklärt.
– Wenn du es wissen willst, du unverschämter Bengel, hat sich dein Vater darum gekümmert, für eine Theateraufführung zwei Karten auf dem ersten Dachfenster zu ergattern.
– Und wo treffen wir ihn, dass er sie uns gibt?
– Zum tausendsten Mal: ICH BIN DEIN VATER!
– Musst du mich ständig daran erinnern? Ich werde bald wieder zum Kinderpsychologen gehen müssen … Und was ist das für eine Show? Ich habe Wichtigeres zu erledigen.
– Du wirst es nicht glauben! Eine Theatergruppe in Wien spielt ein Stück über uns!
– Als wäre es nicht genug, dein Gesicht jeden Tag sehen zu müssen. Nun werde ich dich doppelt sehen!
– Sie zeigen die Tiefe und die verschiedenen Ausdrucksformen der zärtlichen Vater-Sohn- Beziehung.
– Ich wusste es! Es kann nicht um uns gehen!
DAS LEBEN DANACH
– Engel, werden wir freibekommen, um runterzugehen und uns die Vorstellung anzusehen?
– Mal schauen, was ich tun kann. Aber mit der Finanzkrise wird es schwierig.
– Ich dachte, im Paradies wäre der Taler nichts wert.
– Der Taler, nicht … aber viele Taler?
KASTRATO
– Was mache ich nun? Das Frauchen besteht darauf, zur Vorstellung zu gehen, um sich auf der Bühne zu sehen.
– Easy! Stell ihr einen Spiegel vor ihren Sessel und mach für zwei Stunden den Platzanweiser.
– Schämst du dich nicht, über die Sehschwierigkeiten der Dame zu lachen?
– Ihre Blindheit meinst du! Hat sie sich geschämt, als sie dem gelben Mopp einen Heiratsantrag machte und dachte, er sei Donald Trump?
– Das Ensemble heißt zur Sonne …
– Jetzt muss ich nach Sonnencreme und Sonnenbrille suchen. Spielt zumindest ein heißes Stück mit?
– Ins Theater gehen wir der Kunst wegen!
– Na gut, gehen wir aber noch zum Kiosk, um Kondome zu kaufen! Man weiß ja nie!
Ich glaube, dass Arkas nicht kommentiert werden kann. Er wird erlebt. Und am besten wird er erlebt, indem man ihm frei von Stereotypen, festen Wahrnehmungen und Argwohn begegnet. Mit der Unschuld eines Kindes und der Weisheit eines Älteren (wie Kavafis) befreundest du dich mit Arkas Helden und steigst in ihre Welt ein.
Autor:
Arkas
Bearbeitung:
Dimitris Agoras
Inszenierung:
Theodoros Limitsios
DarstellerInnen:
Lebenslang
Häftling: Theodoros Limitsios
Gefängniswärter: Tasos Vasileiou
Montechristo: Santina Marketou
Schwerverbrecher-Todeskandidat: Konstantinos Papathanasiou
Frau des Schwerverbrechers: Ino Matsou
Stimme: Periklis Liakakis
Pfarrer: Antonis Papanikolatos
Haar für Haar
Stella: Danai Mermiga
Marika: Olga Kessaris
Julie: Santina Marketou
Iulia: Ino Matsou
Amalia: Xanthi Tokmakidou -Trifunovic
Tiefflüge
Kleiner: Antonis Papanikolatos
Vater: Konstantinos Papathanasiou
Kleine: Santina Marketou
Freundin des Vaters: Ino Matsou
Eule: Xanthi Tokmakidou -Trifunovic
Kastrato
Oma: Danai Mermiga
Kastrato: Olga Kessaris
Lukretia: Ino Matsou
Opa: Theodoros Limitsios
Kater: Tasos Vasileiou
Das Leben danach
Verstorbener: Tasos Vasileiou
Engel: Xanthi Tokmakidou -Trifunovic
Greis: Konstantinos Papathanasiou
Teufel: Danai Mermiga
Deutsche Übersetzung:
Santina Marketou
Johannes Stehle
Bühnenbild-Kostümberatung:
Alexandra Karakopoulou
Fotografin:
Christina Karagiannis
Licht:
Vassilis Klotsotiras
Ton:
Panos Panagiotopoulos
Musik:
Periklis Liakakis
Text fürs Programm:
Wissarion Bussiopoulos
Grafik & Design:
Xanthi Tokmakidou-Trifunovic
Einspielung der Übertitel:
Marilena Mavrommati